„Der Markt für Cyber-Policen ist in Deutschland noch überschaubar“, sagt Nikolai Dördrechter, Geschäftsführer und Co-Founder der Policen Direkt-Gruppe. Auf der Cyberlandkarte Deutschland sieht er in seinem Gastbeitrag in der aktuellen Ausgabe der Versicherungswirtschaft weitgehend unentdecktes Land. „Auch der InsurTech Radar von Policen Direkt und Oliver Wyman zeigt, dass neue digitale Risiken ein sehr vielversprechendes Geschäftsfeld sind“, erklärt der InsurTech-Experte.
Die Prognose der Managementberatung KPMG zum Potenzial hält Dördrechter indes für realistisch. Die sieht den Markt für Cyberversicherungen in nicht einmal 20 Jahren bei mehr als 15 Mrd. Euro Jahresprämie. Zum Vergleich: genauso viel macht das jährliche Prämienaufkommen in der Kfz-Versicherung aus. Aktuell sind rund 130 Gewerbeversicherer aktiv, die für die gesamte Sparte 6 Mrd. jährlich schreiben.
Auch wenn selbst die Politik „Wirtschaftsschutz“ zur Chefsache macht – das Innenministerium hat jüngst Alarm geschlagen angesichts der Cyber-Angriffe von „WannaCry“ und „Petya“ – hält sich die tatsächliche Nachfrage nach Cyberschutz sehr in Grenzen.
Eine Umfrage des Company-Builders Finleap fördert immer noch große Wissenslücken zutage. Kein Wunder, dass deren InsurTech-Experte Matthias Lange bei weiten Teilen der Unternehmen eine gewisse Tatenlosigkeit feststellt. Kaum einer wisse, was Cyber-Risiken wirklich sind – Prävention und Krisenmanagement würden nicht adäquat auf der Agenda gewürdigt.
Die Folge: die Durchdringungsquote bei der Cyberversicherung liegt bei aktuell neun Prozent und die Branche verhält sich entsprechend zurückhaltend. Im Moment vertreiben lediglich rund 15 Ver-sicherer Cyber-Produkte.
Dass der deutsche Markt aktuell noch ineffizient ist, liegt für Dördrechter nicht zuletzt auch in der Schwierigkeit der Risikoeinschätzung. Hier beruft er sich auf die Einschätzung von Sebastian Klapper, Geschäftsführer des InsurTechs Finlex, das auch als Spezialmakler für Cyber-Versicherungen agiert: „Weil die üblichen statistischen Modelle der Aktuare branchenübergreifende Kumulrisiken in Cyber nicht adäquat abbilden, haben Versicherer bei der Risikoprüfung im Underwriting sehr unterschiedliche Vorgehensweisen entwickelt.“
InsurTechs wie Gewerbeversicherung24 und Finlex sieht Dördrechter in der Position, kleineren und mittleren Maklern den Marktzugang zu erleichtern. Die zentrale Aufgabe: Passgenauer Versicherungsschutz ohne selbst in die Haftungsfalle zu geraten. Mit vertriebsunterstützenden Maklerplatt-formen, Vergleichsrechnern und individuellen Deckungskonzepten können InsurTechs helfen, das komplexe Geschäftsfeld Cyber gewinnbringend zu erschließen.
Nikolai Dördrechter zieht folgendes Fazit: Die Versicherungsbranche ist unter Zugzwang und muss liefern. Die jüngst vom GDV vorgestellten unverbindlichen Musterbedingungen könnten für alle Beteiligten ein erster Vergleichsmaßstab auf dem Weg zu mehr digitaler Sicherheit für den Wirtschaftsstandort werden. Auch neue Datenschutzregeln, die 2018 in Kraft treten, könnten der Cyber-Versicherung zu einem weiteren Schub verhelfen. Denn mit dieser EU-Verordnung gehen deutlich strengere Meldepflichten für Cyber-Vorfälle und damit tendenziell häufigere Haftungsfälle einher. Versicherer haben grundsätzlich die besten Karten, den Cyber-Kuchen über neue Produkte unter sich aufzuteilen. Aber sie sind nicht alleine. InsurTechs sowie Unternehmen aus anderen Bereichen mit einem guten Kundenzugang wollen ihr Stück vom wachsenden Cybermarkt haben. Privat- wie Gewerbekunden werden von dem zunehmenden Wettbewerb durch leistungsfähige Produkte und Dienstleistungen profitieren.
Weitere Details in der aktuellen Ausgabe der Versicherungswirtschaft 08/17 unter “Versicherer entdecken Neuland – Cyberpolicen auf dem Weg zum Wachstumsmotor für eine ganze Branche“